Agua Dulce, Tag 28, Meile 455

Jeden Tag tauchen neue Blumen auf

 

Bin gestern vormittag in Agua Dulce im Hiker Heaven der Saufleys angekommen! 455 Meilen (732km) in genau einem Monat und mir gehts immer noch gut. Hier sieht es aus wie in einem Fluechtlingslager, aber alles bestens organisiert. Die Waesche wird in Netzbeuteln gesammelt, mit Namen versehen und nach ein paar Stunden gibt es alles fein duftend und frisch gewaschen zurueck! Fuer alle, die sonst nackig waeren gibt es Leihkleidung 😉

Fur die Nacht war nicht ausreichend Platz und wir haben einen Schlafplatz auf der Nachbarfarm bekommen – ein lustiges Sammelsurium aus Pferdezucht, Ziegen, Huehnern und Tauben; Artischockenfeld und Beerenkultur aus der sich jeder frei bedienen durfte.
Die Coyoten werden hinterm Haus gefuettert, damit sie die Huehner in Ruhe lassen und ich habe gestern abend einen gesehen!

Die letzten Tage ist es wandertechnisch weiter zuegig vorangegangen – der Aufstieg auf den Mt.Baden-Powell war super, weil endlich eine richtige Steigung. Damit war ich um kurz nach 7h frueh am Gipfel und die Aussicht war herrlich. Danach ging es wieder auf einem langen Kamm entlang und am Nachmittag stand die Frosch-Umleitung am Programm. Fuer die letzten 100 Froesche ihrer Art gehe ich doch gerne 2,7 Meilen Asphalt am Highway, auf dem aber kaum Verkehr ist. Abendessen war auf dem Buckthorn Campingplatz und dann bin ich noch eine gute Stunde in den Cooper Canyon, wo ich mir einen einsamen Schlafplatz neben dem Bach gefunden habe.

Zwischendurch Selbstportraet

 

Am naechsten Tag eine weitere Umleitung – diesmal wegen eines grossen Waldbrandgebietes, das sich wieder regenerieren muss. Die 4,6 Meilen auf der Schotterstrasse waren muehsam, vor allem wenn sie am Ende eines 20+ Meilen Tages kommen. Die Picknicksite rund um die Ranger Station am Mills Creek ist auch abgebrannt und die Ranger haben uns den Hof der neu gebauten Station als Schlafplatz angeboten, Trinkwasser gab es auch.

Fuer den naechsten Tag sind noch einmal 13+ Meilen Umleitung wegen des Poodle Dog Bushs im Gespraech – aber das kommt fuer mich ueberhaupt nicht in Frage! Unter gar keinen Umstaenden gehe ich mit meinen inzwischen voellig platt gelaufenen Schuhen auch noch 20 Kilometer Schotterstrasse – wegen einer Pflanze!
Ganz viele haben hier eine PoodleDogBushParanoia entwickelt: diese an sich huebsche Pflanze soll angeblich Hautreizungen verursachen, wenn man sie beruehrt. In Zonen, wo es Feuer gab, gehoert der Poodle Dog Bush zu den ersten Besiedlern und dementsprechend ueberwuchert ist der Trail. Ein Ranger unterwegs hat mir aber erklaert, dass es reicht, wenn man mit langer Hose und langen Aermeln geht. Mit ein bisschen Poodle Dog Bush Slalom ist der Trail gar kein Problem und bei meinen Selbsttests macht ein bisschen Anstreifen an den Blaettern gar nichts – dennoch sind die meisten die Umleitung auf der Strasse gegangen. Ich war beinahe alleine am Trail, welch ein Genuss!

Die letzte Nacht vor Agua Dulce habe ich im Mattox Canyon geschlafen und mein Schlafsack, war das erste Mal wieder nass vom Tau. Abends war kein Wasser im Bach, aber mitten in der Nacht hat er zu plaetschern begonnen. Irgendwo muss es also geregnet haben. Um 4h frueh habe ich mir den Wecker gestellt, weil ich so muede war, dass ich allein nicht aufgewacht waere. Ein paar Regentropfen fallen mir ins Gesicht und die Sterne sind von Wolken verdeckt. Rund 20 Minuten diskutiere ich mit mir, ob es heute wohl so heiss wird, dass ich besser jetzt schon aufstehe oder vielleicht doch noch eine Runde schlafe. Der Weg nach Agua Dulce ist auf den letzten 10+ Meilen aber extrem ausgesetzt und voellig schattenfrei. Also aufstehen.
Nach ein paar Minuten bin ich abmarschbereit und bereue es nicht. Die erste halbe Stunde geht es noch in Dunkelheit ohne Lampe auf dem gut sichtbaren Trail bergauf, dann kommt schon das erste Tageslicht. Mit den tiefhaengenden Wolken entsteht bei Sonnenaufgang eine ganz eigene Stimmung.
Ueber dem Soledad Canyon taucht fuer ganz kurze Zeit auch ein Regenbogen auf. Die ganze restliche Strecke bis Agua Dulce bleibt kuehl und windig. Das macht auch gute Laune, um die beeindruckenden Vasquez Rocks zu bestaunen – eine auch von Hollywood genutzte Location.
Das letzte Stueck durch die Stadt geht auf der Strasse und einige Lokale haben Transparente aufgehaengt, mit denen sie PCT Hiker willkommen heissen! Sagenhaft!

Der Empfang im Hiker Heaven ist freundlich, meine Waesche bald gewaschen und am Abend habe ich auch eine heisse Dusche!
Einkaufen fuer die naechsten Etappen steht am Programm. Und natuerlich neue Schuhe. Die habe ich zwar bei REI online bestellt, aber deren Online-Einkaufsbedingungen fuer europaeische Kreditkarten ist mehr als umstaendlich und indiskutabel. Im Hiker Heaven helfen aber auch Freunde und Nachbarn mit und heute vormittag hatten wir eine Moeglichkeit zum REI nach Northridge zu fahren, wo ich meine neuen Schuhe bekommen habe.
Noch 250 Meilen Wueste und dann geht es ab ins richtige Gebirge …

Was ich am Trail am meisten vermisse:
Meine Katzen, meine Eltern, Computerzeit, „richtiges Essen“ (keine Pizza, Burger und so Zeugs), manchmal saubere Haende
Was ich am Trail nicht oder kaum vermisse:
Dusche, Bett, Dach ueberm Kopf

Statistik Update
Blasen: 2 (verheilt)
Ibuprofenverbrauch in mg: 5200  Es ist einfach zu schoen mit Ibu zu gehen …
Snickers: 0
Peanut Butter: 0
Klapperschlangen: 2,5 (2 erwachsene, ein Baby)
Stuerze: 3x 0,1 (eigentlich nur ein Beinahe-Sturz), 1x  richtig auf losem Schutt ausgerutscht und hingefallen
Verlaufen: 3 (nur ganz kurz, weil mich ein Hiker „gerettet“ hat)
Eidechsen: unzaehlbar, noch einmal soviele
Skink: 1
Gecko: 1
Coyote: 1
Dehydriert: 1
Maximal getragene Wassermenge: 4 (nach meiner Dursterfahrung bin ich etwas vorsichtiger geworden)
Verschlissene Socken: 2 Paar (man kann nie genug Socken haben)
Verschlissene Schuhe: 1 Paar
Gefaehrliche Tiere: 0 , leider auch kein Puma 🙁

Willkommen in Agua Dulce (Sweetwater)

 

Die „rotpelzige Riesenameise“ – keine Ahnung was das fuer ein Tierchen ist?

Manchmal ist es richtig heiss

Neuer Unterwuchs nach dem Feuer

Silverwood Lake – sieht beinahe nach Cote d’Azur aus

Farbenpracht und Vielfalt

Cajon Pass – Sullivan Kurve

Abendstimmung

Sonnenaufgang

Am Gipfel von Mt. Baden-Powell 2865m

 

10 Kommentare

  1. Super Bericht, tolle Fotos!
    Ich kann nur jedesmal wieder staunen über die Freundlichkeit der Amerikaner dort, macht direkt Lust mal doch in den USA was gröberes anzugehen 🙂
    Wünsche dir weiterhin viel Spass und vor allem Gesundheit!
    Grüße
    Timo

  2. Unbedingt machen! Das ist meine bislang intensivste und unglaublichste Wandererfahrung. Kalifornien … mmmh

  3. Du wirkst gesund und stark auf den Bildern, das freut mich wahnsinnig!
    Wie ist der ULA Rucksack?
    Die Pizza Preise dort sind unglaublich dort, hab mir nie eine gekauft 🙂
    Ja die Zero days in den Städten sind immer stressig. Meinen besten hatte ich nördlich von Tuoloumne Meadows vor dem Return Creek, es gab Schneesturm und ich hab beschlossen einfach nicht aufzustehen und meinen Schlafmangel auszugleichen. Am Nachmittag dann Sonnenschein und einfach nur die Umgebung erkunden.

  4. Gut siehst Du aus! Ordentlich Muckis an den Beinen ;-). Überhaupt schöne Fotos. Wie sagt man auf Facebook: Thank you for sharing.

    Go, Sabi, go!

    Ralph und Moni

  5. Toll, dass es bislang so gut für dich läuft, wahrscheinlich hast du jetzt schon ein wenig Respekt vor der Sierra. Aber ich bin überzeugt davon, dass du es dort fantastisch finden wirst. Und so fit wie du bereits aussiehst, werden dir die Berge bestimmt keine Probleme bereiten.

    Ich freue mich auf die nächsten Berichte!

    Gerald

  6. Also wieder einmal danke!
    Freue mich auf die nächsten Berichte.
    Grüße hikingharry

  7. Hey Sabine,
    das sieht doch alles schön aus 🙂 sogar unter die Artenentdeckerinnen gehst Du jetzt ;). Wünsche Dir viel Spaß mit noch ganz vielen solcher toller Abend- und Frühmorgens-Stimmungen! Bin ab morgen früh auf Kastrationsabenteuer (Tiere!, harmlos!, für die Nichttierärzte ;)) in Spanien mit hoffentlich auch grandiosem Sternenhimmel. Freu mich schon darauf, wieder von Dir zu lesen.
    Grüße auch von Leo und Sandra!

  8. Grossartig! Sowohl die Landschaft, als auch Deine gestählten Beine 🙂
    Dass Du Deine Katzen am meisten vermisst verstehe ich mehr als gut 🙁
    Hingegen hätte ich als Gelegenheitshiker Stein und Bein geschworen, dass einem das nicht Duschen können auch fehlt. Ist schon spannend, wie sich die Wichtigkeiten verschieben auf solch einem Trip.
    Freu mich auch auf die nächsten Berichte.
    Gruss, Barbara

  9. Was für ein Bericht!
    Ich hör Dich förmlich reden und muß sehr oft schmunseln.
    Schön, dass es so gut läuft!
    Ganz liebe Grüße soll ich von Deinem „Katzen“fanclub sagen.
    Immer wieder werde ich nach Dir gefragt: sollen sich doch selber diese genialen Berichte durchlesen um dabei zu sein :))
    Pass weiterhin so gut auf Dich auf!!
    Gant liebe Grüße von uns ALLEN

  10. Duschen wird in der Tat voellig ueberbewertet – das bedeutet ja nicht, dass ich mich nicht an jeder verfuegbaren Wasserstelle, Bach oder Quelle, wasche. Und das T-Shirt auch, kann ich gleich nass wieder anziehen.
    Muckis sind wirklich schon ganz ordentlich an den Waden und die tun ihren Job auch meistens ganz gut – mal schauen, was sich jetzt so an den hohen Paessen und am Mt. Whitney tut …

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